Newsflash

Revidiertes Merkblatt zum Missbrauch relativer Marktmacht

21.03.2025

Nach den ersten Entscheiden der Wettbewerbskommission (WEKO) zu den neuen Gesetzesbestimmungen über den Missbrauch relativer Marktmacht (vgl. hierzu unseren Newsletter vom März 2022) hat das Sekretariat der WEKO (Sekretariat) per 4. Februar 2025 sein entsprechendes Merkblatt aktualisiert. Die Änderungen betreffen die Kriterien zur Beurteilung, ob ein Unternehmen als relativ marktmächtig anzusehen ist, sowie Praxishinweise zur missbräuchlichen Einschränkung von Bezugsmöglichkeiten und zur Verfahrensbeteiligung Dritter. Zudem hat das Sekretariat das Meldeformular für Anzeigen betreffend Missbrauch relativer Marktmacht ergänzt.

1. Voraussetzungen relativer Marktmacht

Gemäss Praxis der WEKO setzt das Vorliegen relativer Marktmacht kumulativ voraus, dass (i) zwischen den betroffenen Unternehmen ein Abhängigkeitsverhältnis besteht, (ii) das abhängige Unternehmen über keine Gegenmacht verfügt und (iii) die Abhängigkeit nicht auf grobes Selbstverschulden zurückzuführen ist.

2. Abhängigkeit

Ob ein Abhängigkeitsverhältnis im Sinn von Art. 4 Abs. 2bis KG vorliegt, beurteilt sich anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls. Als beispielhafte Fallkonstellationen nennt das revidierte Merkblatt die Abhängigkeit eines Wiederverkäufers von der Belieferung mit bestimmten Waren, die seine Kunden im Sortiment erwarten, oder die Abhängigkeit vom Fortbestand einer bestimmten Geschäftsbeziehung zur Amortisation bereits getätigter Investitionen. Die Prüfung erfolgt in drei Schritten:

  • Erstens werden unter Berücksichtigung der konkreten Marktverhältnisse die bestehenden Ausweichmöglichkeiten ermittelt (z.B. Wechsel zu einem anderen Zulieferer, aber insbesondere auch der Verzicht auf die infragestehende Ware oder Dienstleistung).
  • Zweitens werden die jeweils zu erwartenden Folgen eines Ausweichens auf die festgestellten Alternativen ermittelt, was auch Umsatzeinbussen, höhere Kosten, Kundenverluste oder tiefere Gewinne bzw. tiefere Deckungsbeiträge beinhaltet.
  • Drittens wird die Zumutbarkeit dieser Folgen unter Berücksichtigung der individuellen wirtschaftlichen Situation des Unternehmens geprüft, was auch die Relevanz einer möglichen Umsatzeinbusse in Bezug auf das jeweilige Unternehmen beinhaltet. Während bei unbedeutenden Folgen von einer Zumutbarkeit der Ausweichmassnahmen auszugehen ist, ist eine Unzumutbarkeit nicht erst dann anzunehmen, wenn das ausweichende Unternehmen in seiner Existenz bedroht ist.

3.  Fehlende Gegenmacht

Das Sekretariat bekräftigt im revidierten Merkblatt die Auffassung, dass bei der Prüfung relativer Marktmacht eine allfällige Gegenmacht des mutmasslich abhängigen Unternehmens zu berücksichtigen ist. Diese bemisst sich nach dem Interesse des marktmächtigen Unternehmens am Erhalt der Gegenleistung bzw. an seinem Nachteil im Fall des Nichtzustandekommens oder der Auflösung des fraglichen Rechtsgeschäfts. Hat das marktmächtige Unternehmen ein gleiches oder ähnliches Interesse am fraglichen Rechtsgeschäft wie das allenfalls abhängige Unternehmen, ist von ausgeglichenen Machtverhältnissen auszugehen und das Bestehen relativer Marktmacht zu verneinen.

4. Grobes Selbstverschulden

Erst So wurde in der Praxis eine Zumutbarkeit verneint, wo 20 % des Umsatzes betroffen waren und eine Zumutbarkeit bejaht, wo ein Umsatzanteil von weniger als 0.2 % betroffen war.
Gemäss dem revidierten Merkblatt kann sich ein Unternehmen dann nicht auf die Schutzvorschriften gegen Missbrauch relativer Marktmacht berufen, wenn das geltend gemachte Abhängigkeitsverhältnis auf grobes Selbstverschulden zurückzuführen ist. Massgebend für diese Beurteilung sind die gesamten Umstände im Zeitpunkt des fraglichen Geschäftsentscheids. Der blosse Umstand, dass sich ein unternehmerischer Entscheid im Nachhinein als unvorteilhaft erweist, genügt nicht. Vielmehr ist ein Selbstverschulden dann von Relevanz, wenn die Abhängigkeit auf einen groben Eigenfehler zurückgeführt werden kann.

5. Missbräuchliche Verhaltensweisen bei relativer Marktmacht

Von besonderer Bedeutung im Kontext der relativen Marktmacht ist die in Art. 7 Abs. 2 Bst. g KG genannte Beschränkung der Bezugsmöglichkeiten im Ausland zu den dort branchenüblichen Bedingungen. Entscheidend für die Missbräuchlichkeit solcher sog. "Schweiz-Zuschläge" ist nach Auffassung des Sekretariats, dass die Bezugskonditionen des abhängigen Unternehmens in der Schweiz schlechter sind als diejenigen, die ein vergleichbares ausländisches Unternehmen im Ausland erhalten würde. Da bei einer solchen Beurteilung zahlreiche, teils schwer vergleichbare Parameter zu berücksichtigen sind (z.B. Berücksichtigung von Einkaufsvolumen, Lieferfristen, Rückgaberecht und Gegenleistungen), erachtet das Sekretariat bloss geringfügig schlechtere Konditionen in der Regel nicht als missbräuchlich.

6. Beteiligung Dritter an Untersuchungen

Interessierte Dritte können den Wettbewerbsbehörden jederzeit Hinweise und Informationen (auch anonym) zu einer Untersuchung zur Verfügung stellen. Nach der Praxis der WEKO bestehen aber hohe Hürden für eine weitergehende Beteiligung von Dritten an einer Untersuchung betreffend Missbrauch relativer Marktmacht. Die Zulassung als Verfahrensbeteiligter setzt nach Art. 43 Abs. 1 Bst. a KG voraus, dass das betreffende Unternehmen durch die mutmassliche Wettbewerbsbeschränkung in der Aufnahme oder Ausübung des Wettbewerbs behindert wird. Da es sich beim Missbrauch relativer Marktmacht grundsätzlich um ein bilaterales Verhalten handelt, das nur die Parteien des betreffenden Rechtsverhältnisses betrifft, gibt es gemäss dem Merkblatt in der Regel keine anderen Wettbewerbsteilnehmer, die dadurch behindert werden und deshalb zur Teilnahme am Verfahren legitimiert sind.

7. Ergänzungen im Meldeformular

Das ergänzte Meldeformular verlangt vom meldenden Unternehmen neu Angaben zu den erwarteten Folgen allfälliger Ausweichhandlungen, wobei insbesondere allfällige Gewinn- und Umsatzeinbussen, entgangene Deckungsbeiträge oder zusätzliche Kosten zu nennen sind. Ebenfalls verlangt werden neu Angaben zu den Folgen eines ersatzlosen Wegfalls des Angebots oder der Nachfrage, von dem das meldende Unternehmen abhängig sein könnte.

 

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